Lösungs­kompetenz im Fokus

19.03.2021

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Seit Anfang Juli 2020 ist Maurizio Catino als Executive Vice President Global Sales & Solutions der globale Vertriebs­chef der ­Interroll Gruppe. Wir sprachen mit ihm über aktuelle Markt­trends, die Vorteile der Digitali­sierung und die Be­deutung der Lösungs­kompetenz für künftige Erfolge.

Herr Catino, Lockdowns in vielen Ländern, ein­brechende Konjunktur­daten, Firmen­pleiten: Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf den Markt für Material­fluss­lösungen?

Maurizio Catino: Durch die Pandemie hat der weltweite Intra­logistik­markt noch einmal an Dynamik zugelegt. Während andere Branchen ausser­ordent­lich hart getroffen sind, hat vor allem der E-Commerce durch die rasant und abrupt ge­stiegenen Online-Käufe der Ver­braucher für starke Nachfrage­impulse nach Material­fluss­lösungen gesorgt. Der Grund: Nur mit automa­tisierten Lösungen fürs Fördern, Sortieren, Lagern und Kom­mis­sionieren können E-Commerce-Anbieter ihre Kapazi­täten hochfahren, um mit schnellen Liefer­zeiten die Kunden­wünsche zu erfüllen. Das An­schwellen des Waren­stroms, der durch Internet-Bestellungen ausgelöst wird, ist tatsächlich beein­druckend: So hat etwa allein Amazon als ohnehin wachs­tums­starkes Unter­nehmen von April bis Juni 2020, also mitten in der ersten Infektions­welle, weltweit seinen Umsatz noch einmal um rund 40 Prozent steigern können.

Könnte dies nicht nur ein Stroh­feuer sein?

Nein. Natürlich kann niemand die Zukunft exakt vorher­sagen. Doch das gestiegene Bestell­volumen per Internet geht nicht nur auf die inten­sivere Nutzung durch bereits Internet-affine Ver­braucher, sondern auch auf die Er­schliessung völlig neuer Ziel­gruppen zurück. Ein Beispiel: Während mein Vater vor der Pandemie die Smartphone-Nutzung konsequent ablehnte, ist er heute täglich im Internet unter­wegs, auch als Online-Shopper. Diese Verhaltens­änderung wird bestehen bleiben. Gleich­zeitig hat die Logistik insgesamt gesell­schaftlich an Be­deutung gewonnen. Auch einer breiteren Öffentlich­keit ist nun die mittler­weile system­relevante Funktion dieser Branche, etwa für die Lebens­mittel­versorgung der Menschen, bewusst geworden.

Und wie sieht es in anderen Branchen aus?

Viele Branchen haben heute erkannt, dass beim Material­fluss grosse Produktivitäts­poten­ziale schlummern, um die eigene Wett­be­werbs­fähigkeit deutlich zu verbessern – etwa im Bereich der indus­triellen Fertigung. Gleichzeitig sind aber auch Paket­dienst­leister und Kurier­dienste aus Kapazitäts­gründen verstärkt dabei, ihre Netze zu dezen­trali­sieren, also kleinere, zusätzliche Distributions­zentren am Stadtrand oder sogar in der Stadt­mitte aufzu­bauen. Auch hierfür werden Förderer oder Sorter gebraucht. Es gibt also eine Reihe von Trends, die uns zusätzlichen Rücken­wind geben – sowohl bei der Gewinnung neuer Kunden als auch der Aufrüstung von Lösungen bei Bestands­kunden. In diesen und weiteren Wachs­tums­feldern sind wir als inter­nationaler Techno­logieführer mit unserem modularen, also flexibel kombinier­baren Angebot, das wir zudem beispiels­weise mit unserem Hoch­leistungs­sorter, dem neuen Split Tray Sorter, konsequent ausgebaut haben oder mit dem Smart Pallet Mover künftig ergänzen ­werden, vorzüglich vertreten.

«Viele Branchen haben heute erkannt, dass beim Materialfluss grosse Produktivitätspoten­ziale schlummern.»

In Corona-Zeiten dürfte das Internet aber auch für den Vertrieb bei Interroll an Bedeutung gewonnen haben ...

So ist es. Sehr wichtig war, dass wir in der Konzern­leitung nach dem Beginn der Krise keine Zeit damit ver­schwendet haben, uns durch den anfäng­lichen Pandemie-Schock vom Kurs abbringen zu lassen. Im Gegen­teil: Wir haben sofort Mass­ahmen getroffen, mit denen wir für unsere Kunden eine uneinge­schränkte Liefer­fähigkeit sicher­stellen konnten. Für den Vertrieb hiess dies zunächst einmal, die enge Beziehung zu den jeweiligen Kunden durch den Ausfall von Messen und fehlende Besuchs­möglich­keiten nicht abreissen zu lassen, also den Kunden­kontakt und die Beratung online übers Home-Office durch­­zuführen. Das ging übrigens über den üblichen Einsatz von Video­konferenzen weit hinaus. Zum Einsatz kamen dazu etwa Live-Streams über Produkt­neuheiten oder interaktive Webinare. Diese Heraus­forderungen haben unsere Mitarbeiter­innen und Mitarbeiter mit der nötigen Flexi­bilität und grossem Engage­ment hervor­ragend gelöst – in vorbild­licher Koope­ration etwa mit dem Marketing und Produkt­management.

Wird der Vertrieb also künftig nur noch am Bild­schirm arbeiten?

Nein. Basis einer erfolgreichen Vertriebs­tätigkeit wird immer die nicht-mediale Kommuni­kation zwischen Menschen bleiben. Das schnelle Um­schalten auf Online-Kanäle hat ja nicht zuletzt deshalb so gut funktioniert, weil uns unsere Kunden bereits gut kannten und uns vertrauen. Allerdings hat die Corona­krise schon dazu geführt, dass sich der ohnehin existie­rende Trend zur virtuellen Inter­aktion beschleu­nigt hat und deren Einsatz nun zum selbst­­verständ­lichen, zusätz­lichen Instru­ment der täglichen Vertriebs­arbeit geworden ist. Ein gutes Beispiel sind die neuen Möglich­keiten, die soziale Medien gerade für das Neu­kunden­­geschäft bieten. Sie erlauben es dem Vertrieb, viel ­effizienter und ziel­genauer mit Ent­scheidern in den Erst­kontakt zu treten, ohne erst von einer internen Abteilung zur nächsten weiter­gereicht zu werden.

Nun ist das Internet ja nicht nur ein tech­nisches Hilfs­mittel.

Richtig. Das Internet verändert auch die Rolle und die Aufgaben, denen sich Vertriebs­mitarbeiter zu stellen haben. Heute kann sich ein Kunde mit wenigen Maus­klicks selbst über das Produkt­angebot von Interroll informieren. Und genau dies tun die meisten auch – schon vor dem ersten ­Interroll Besuch. Was heisst das? Es heisst, dass ich als Vertriebler dem Kunden als wandelnder Produkt­­katalog keinen Mehr­wert mehr biete. Gefragt ist proaktive Lösungs-, Beratungs­kompetenz und Know-how über die Einsatz­vorteile des gesamten Portfolios, das ­Interroll bereithält. Dies setzt natürlich voraus, dass Sie auch die geschäft­lichen Ziel­setzungen und die Arbeits­abläufe der Anwender verstehen, um System­integratoren effektiv in ihrer Arbeit unter­stützen zu können. So müssen Sie beim Besuch einer laufenden An­wendung mögliche Opti­mierungen für den jeweiligen Betrieb sofort erkennen können. Ausser­dem sollten Sie als Vertriebler verstehen, in welche Richtung sich der Markt und die Branche entwickelt. Dies ist einer der Gründe, warum wir ent­sprechende Trainings­mass­nahmen in der ­Interroll Academy durch­führen, bei der wir auch die Kompe­tenz führender Forschungs­ein­richtungen wie etwa des Fraunhofer IML nutzen.

Braucht diese Hin­wendung zur Lösungs­­orientierung nicht auch eine Ver­ankerung in internen Struk­turen?

Ja, aus diesem Grund haben wir unseren erfolg­reichen Branchen- zu einem globalen Lösungs­vertrieb weiter­ent­wickelt, der unsere Kunden auch bei anspruchs­vollsten Projekten auf Augen­höhe begleitet. Hierzu brauchten wir übrigens keine zusätzliche Vertriebs­organi­sation aufzu­bauen, sondern können das bereits vor­handene Know-how im jeweiligen Branche­numfeld nun noch besser einsetzen. Diese vertikalen Funktionen unter­stützen übrigens nicht nur den vor­handenen, geografisch orien­tierten Vertrieb, sondern stellen auch ein wichtiges Binde­glied zwischen dem Vertrieb und den Produkt­verantwort­lichen in unseren globalen Kompetenz­zentren dar. Über diesen Know-how-Aus­tausch stellen wir sicher, dass die Markt­bedürfnisse, nach denen wir uns in der vertrieb­lichen Arbeit aus­richten, direkt in den Inno­vations­prozess unseres Unter­nehmens einfliessen.

Wir haben unseren erfolg­­reichen Branchen- zu einem globalen Lösungs­vertrieb weiter­entwickelt, der Kunden auch bei anspruchs­­vollsten Projekten auf Augen­höhe begleitet.»

Maurizio Catino

Nun geht es bei 28,000 Kunden, die Sie betreuen, ja nicht immer nur um grössere Projekte …

Genau. Ebenso wichtig wie das Projekt­geschäft ist der Vertrieb von Schlüssel­produkten, die der Kunde bereits kennt und wert­steigernd in seine Material­flusslösungen integrieren will. Auch in diesem Bereich spielt das Internet eine zentrale Rolle. So haben wir einen grossen Kunden­zuspruch für den neuen Webshop erfahren, den wir im letzten Jahr gestartet haben. Mit diesem neuen Absatz­kanal vereinfachen wir nicht nur den Bestell­prozess für unsere Kunden, sondern machen die nötigen Trans­aktionen – von der Bestellung über die Produk­tion und den Versand bis zur Abrech­nung – deutlich effizienter und schneller. Doch hier hören die Vorteile der Digitali­sierung für den Vertrieb bei weitem nicht auf.

Wo spielt die Digitali­sierung denn noch eine Rolle?

Zum Beispiel bei den Wert­schöpfungs­vorteilen, die unser global ver­netztes Enterprise-Resource-Planning-System, kurz ERP, bietet. Dazu müssen Sie verstehen, dass unsere Gross­kunden meist weltweit tätige Konzerne sind, die auf der Grund­lage durch­gängig digitaler Just-in-Time-Liefer­ketten arbeiten. Neben dem neuen Online-Shop bieten wir einen soge­nannten Headless-Ansatz an. Das bedeutet, dass Kunden, die an einem auto­matisierten Einkauf interessiert sind, sich über Schnitt­stellen mit uns über die von ihnen genutzten Platt­formen verbinden können. Die Bestell­anfrage an ­Interroll wird dann von einer Software generiert. Auf unserer Seite nutzen wir die SAP CX Commerce Cloud in Kombin­ation mit einer elektro­nischen Daten­schnitt­stelle, auch EDI genannt, um diese Anfrage in ein Angebot zu über­­setzen. Das ist ein schlanker Prozess und bequem für unsere ­Kunden. Als globaler Partner erfüllen wir also ihre Anforder­ungen, indem wir unsere digitalen Prozesse mit ihren integrieren, von der Be­stellung bis zur ­Lie­ferung. Das heisst: Schon in den Bestell­prozessen schaffen wir einen Mehr­wert für den Kunden, indem wir Zeit und Kosten sparen und ihm damit helfen, in ­seinem Geschäft erfolg­reich zu bleiben. Ein Grund mehr, sich für Interroll zu entscheiden.

Aber das ist nur ein Aspekt der Möglich­keiten, die uns die digitale Welt eröffnet. Mit der Ein­führung eines webbasierten Layouter-Tools sind wir in der Lage, unseren Kunden bereits in der Planungs- und Projekt­phase Vertriebs­unter­stützung zu bieten. Dieser Service verein­facht und verkürzt den Engineering-Aufwand gerade für mittel­ständische System­integratoren dramatisch. Auf diese Weise helfen wir auch dieser Kunden­gruppe, noch wett­bewerbs­fähiger zu werden.