Lösungskompetenz im Fokus
19.03.2021
Interview als PDF
Seit Anfang Juli 2020 ist Maurizio Catino als Executive Vice President Global Sales & Solutions der globale Vertriebschef der Interroll Gruppe. Wir sprachen mit ihm über aktuelle Markttrends, die Vorteile der Digitalisierung und die Bedeutung der Lösungskompetenz für künftige Erfolge.

Herr Catino, Lockdowns in vielen Ländern, einbrechende Konjunkturdaten, Firmenpleiten: Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf den Markt für Materialflusslösungen?
Maurizio Catino: Durch die Pandemie hat der weltweite Intralogistikmarkt noch einmal an Dynamik zugelegt. Während andere Branchen ausserordent
Könnte dies nicht nur ein Strohfeuer sein?
Nein. Natürlich kann niemand die Zukunft exakt vorhersagen. Doch das gestiegene Bestellvolumen per Internet geht nicht nur auf die intensivere Nutzung durch bereits Internet-affine Verbraucher, sondern auch auf die Erschliessung völlig neuer Zielgruppen zurück. Ein Beispiel: Während mein Vater vor der Pandemie die Smartphone-Nutzung konsequent ablehnte, ist er heute täglich im Internet unterwegs, auch als Online-Shopper. Diese Verhaltensänderung wird bestehen bleiben. Gleichzeitig hat die Logistik insgesamt gesellschaftlich an Bedeutung gewonnen. Auch einer breiteren Öffentlichkeit ist nun die mittlerweile systemrelevante Funktion dieser Branche, etwa für die Lebensmittelversorgung der Menschen, bewusst geworden.
Und wie sieht es in anderen Branchen aus?
Viele Branchen haben heute erkannt, dass beim Materialfluss grosse Produktivitätspotenziale schlummern, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu verbessern – etwa im Bereich der industriellen Fertigung. Gleichzeitig sind aber auch Paketdienstleister und Kurierdienste aus Kapazitätsgründen verstärkt dabei, ihre Netze zu dezentralisieren, also kleinere, zusätzliche Distributionszentren am Stadtrand oder sogar in der Stadtmitte aufzubauen. Auch hierfür werden Förderer oder Sorter gebraucht. Es gibt also eine Reihe von Trends, die uns zusätzlichen Rückenwind geben – sowohl bei der Gewinnung neuer Kunden als auch der Aufrüstung von Lösungen bei Bestandskunden. In diesen und weiteren Wachstumsfeldern sind wir als internationaler Technologieführer mit unserem modularen, also flexibel kombinierbaren Angebot, das wir zudem beispielsweise mit unserem Hochleistungssorter, dem neuen Split Tray Sorter, konsequent ausgebaut haben oder mit dem Smart Pallet Mover künftig ergänzen werden, vorzüglich vertreten.
«Viele Branchen haben heute erkannt, dass beim Materialfluss grosse Produktivitätspotenziale schlummern.»
In Corona-Zeiten dürfte das Internet aber auch für den Vertrieb bei Interroll an Bedeutung gewonnen haben ...
So ist es. Sehr wichtig war, dass wir in der Konzernleitung nach dem Beginn der Krise keine Zeit damit verschwendet haben, uns durch den anfänglichen Pandemie-Schock vom Kurs abbringen zu lassen. Im Gegenteil: Wir haben sofort Massahmen getroffen, mit denen wir für unsere Kunden eine uneingeschränkte Lieferfähigkeit sicherstellen konnten. Für den Vertrieb hiess dies zunächst einmal, die enge Beziehung zu den jeweiligen Kunden durch den Ausfall von Messen und fehlende Besuchsmöglichkeiten nicht abreissen zu lassen, also den Kundenkontakt und die Beratung online übers Home-Office durchzuführen. Das ging übrigens über den üblichen Einsatz von Videokonferenzen weit hinaus. Zum Einsatz kamen dazu etwa Live-Streams über Produktneuheiten oder interaktive Webinare. Diese Herausforderungen haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der nötigen Flexibilität und grossem Engagement hervorragend gelöst – in vorbildlicher Kooperation etwa mit dem Marketing und Produktmanagement.
Wird der Vertrieb also künftig nur noch am Bildschirm arbeiten?
Nein. Basis einer erfolgreichen Vertriebstätigkeit wird immer die nicht-mediale Kommunikation zwischen Menschen bleiben. Das schnelle Umschalten auf Online-Kanäle hat ja nicht zuletzt deshalb so gut funktioniert, weil uns unsere Kunden bereits gut kannten und uns vertrauen. Allerdings hat die Coronakrise schon dazu geführt, dass sich der ohnehin existierende Trend zur virtuellen Interaktion beschleunigt hat und deren Einsatz nun zum selbstverständlichen, zusätzlichen Instrument der täglichen Vertriebsarbeit geworden ist. Ein gutes Beispiel sind die neuen Möglichkeiten, die soziale Medien gerade für das Neukundengeschäft bieten. Sie erlauben es dem Vertrieb, viel effizienter und zielgenauer mit Entscheidern in den Erstkontakt zu treten, ohne erst von einer internen Abteilung zur nächsten weitergereicht zu werden.
Nun ist das Internet ja nicht nur ein technisches Hilfsmittel.
Richtig. Das Internet verändert auch die Rolle und die Aufgaben, denen sich Vertriebsmitarbeiter zu stellen haben. Heute kann sich ein Kunde mit wenigen Mausklicks selbst über das Produktangebot von Interroll informieren. Und genau dies tun die meisten auch – schon vor dem ersten Interroll Besuch. Was heisst das? Es heisst, dass ich als Vertriebler dem Kunden als wandelnder Produktkatalog keinen Mehrwert mehr biete. Gefragt ist proaktive Lösungs-, Beratungskompetenz und Know-how über die Einsatzvorteile des gesamten Portfolios, das Interroll bereithält. Dies setzt natürlich voraus, dass Sie auch die geschäftlichen Zielsetzungen und die Arbeitsabläufe der Anwender verstehen, um Systemintegratoren effektiv in ihrer Arbeit unterstützen zu können. So müssen Sie beim Besuch einer laufenden Anwendung mögliche Optimierungen für den jeweiligen Betrieb sofort erkennen können. Ausserdem sollten Sie als Vertriebler verstehen, in welche Richtung sich der Markt und die Branche entwickelt. Dies ist einer der Gründe, warum wir entsprechende Trainingsmassnahmen in der Interroll Academy durchführen, bei der wir auch die Kompetenz führender Forschungseinrichtungen wie etwa des Fraunhofer IML nutzen.
Braucht diese Hinwendung zur Lösungsorientierung nicht auch eine Verankerung in internen Strukturen?
Ja, aus diesem Grund haben wir unseren erfolgreichen Branchen- zu einem globalen Lösungsvertrieb weiterentwickelt, der unsere Kunden auch bei anspruchsvollsten Projekten auf Augenhöhe begleitet. Hierzu brauchten wir übrigens keine zusätzliche Vertriebsorganisation aufzubauen, sondern können das bereits vorhandene Know-how im jeweiligen Branchenumfeld nun noch besser einsetzen. Diese vertikalen Funktionen unterstützen übrigens nicht nur den vorhandenen, geografisch orientierten Vertrieb, sondern stellen auch ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Vertrieb und den Produktverantwortlichen in unseren globalen Kompetenzzentren dar. Über diesen Know-how-Austausch stellen wir sicher, dass die Marktbedürfnisse, nach denen wir uns in der vertrieblichen Arbeit ausrichten, direkt in den Innovationsprozess unseres Unternehmens einfliessen.

Wir haben unseren erfolgreichen Branchen- zu einem globalen Lösungsvertrieb weiterentwickelt, der Kunden auch bei anspruchsvollsten Projekten auf Augenhöhe begleitet.»
Nun geht es bei 28,000 Kunden, die Sie betreuen, ja nicht immer nur um grössere Projekte …
Genau. Ebenso wichtig wie das Projektgeschäft ist der Vertrieb von Schlüsselprodukten, die der Kunde bereits kennt und wertsteigernd in seine Materialflusslösungen integrieren will. Auch in diesem Bereich spielt das Internet eine zentrale Rolle. So haben wir einen grossen Kundenzuspruch für den neuen Webshop erfahren, den wir im letzten Jahr gestartet haben. Mit diesem neuen Absatzkanal vereinfachen wir nicht nur den Bestellprozess für unsere Kunden, sondern machen die nötigen Transaktionen – von der Bestellung über die Produktion und den Versand bis zur Abrechnung – deutlich effizienter und schneller. Doch hier hören die Vorteile der Digitalisierung für den Vertrieb bei weitem nicht auf.
Wo spielt die Digitalisierung denn noch eine Rolle?
Zum Beispiel bei den Wertschöpfungsvorteilen, die unser global vernetztes Enterprise-Resource-Planning-System, kurz ERP, bietet. Dazu müssen Sie verstehen, dass unsere Grosskunden meist weltweit tätige Konzerne sind, die auf der Grundlage durchgängig digitaler Just-in-Time-Lieferketten arbeiten. Neben dem neuen Online-Shop bieten wir einen sogenannten Headless-Ansatz an. Das bedeutet, dass Kunden, die an einem automatisierten Einkauf interessiert sind, sich über Schnittstellen mit uns über die von ihnen genutzten Plattformen verbinden können. Die Bestellanfrage an Interroll wird dann von einer Software generiert. Auf unserer Seite nutzen wir die SAP CX Commerce Cloud in Kombination mit einer elektronischen Datenschnittstelle, auch EDI genannt, um diese Anfrage in ein Angebot zu übersetzen. Das ist ein schlanker Prozess und bequem für unsere Kunden. Als globaler Partner erfüllen wir also ihre Anforderungen, indem wir unsere digitalen Prozesse mit ihren integrieren, von der Bestellung bis zur Lieferung. Das heisst: Schon in den Bestellprozessen schaffen wir einen Mehrwert für den Kunden, indem wir Zeit und Kosten sparen und ihm damit helfen, in seinem Geschäft erfolgreich zu bleiben. Ein Grund mehr, sich für Interroll zu entscheiden.
Aber das ist nur ein Aspekt der Möglichkeiten, die uns die digitale Welt eröffnet. Mit der Einführung eines webbasierten Layouter-Tools sind wir in der Lage, unseren Kunden bereits in der Planungs- und Projektphase Vertriebsunterstützung zu bieten. Dieser Service vereinfacht und verkürzt den Engineering-Aufwand gerade für mittelständische Systemintegratoren dramatisch. Auf diese Weise helfen wir auch dieser Kundengruppe, noch wettbewerbsfähiger zu werden.