«MIT LANGFRISTIGER STRATEGIE AUF DEM RICHTIGEN WEG»

17.03.2022

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Ein Gespräch mit Ingo Steinkrüger, CEO der weltweiten Interroll Gruppe, über das Geschäftsjahr 2021 und Interrolls Perspektiven.

Herr Steinkrüger, was war für Sie ausschlaggebend, die Position des CEO bei Interroll zu übernehmen?

Ingo Steinkrüger: Vor allem die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Sie hat mich sofort überzeugt. Begeistert hat mich auch die starke Marktposition in einer hochinteressanten Zukunfts­branche und die spannende Aufgabe, das grosse Potenzial, das in unserem Unternehmen steckt, gezielt weiter zu erschliessen.

Die Schweiz ist als Standort berufliches Neuland für Sie. Fühlen Sie sich im Tessin wohl?

Ja, absolut. Ich bin ein Freund der schweizerischen Art, neutral, unaufgeregt und offen auf Menschen und Dinge zuzugehen. Mir gefallen die kulturelle Vielfalt und das Selbst­verständnis, das die Schweizerinnen und Schweizer eint. Möglicherweise bietet dieses Land – in Verbindung mit seiner hervor­ragenden interna­tionalen Vernetzung – gerade deshalb ein ausgezeichnetes Umfeld für Inno­vationen und die Basis einer hohen internationalen Wettbewerbs­fähigkeit. Qualität, Präzision und das Streben, den Mehr­wert für den Kunden ins Zentrum der Arbeit zu setzen, besitzen einen sehr hohen Stellen­wert. Diese Kunden­orientierung und die Motivation, stets die besten Lösungen zu finden, sind auch für mich sehr wichtig. Da finde ich mich nahtlos wieder.

Wie sind Sie Ihren Kunden begegnet und was haben Sie aus diesen Gesprächen gelernt?

Persönlich habe ich mit zahlreichen Kunden in der Schweiz und Italien, aber auch bei einer längeren Reise durch die USA sprechen können. Viele Gespräche mit Kunden in anderen Ländern habe ich zudem virtuell geführt. Dabei habe ich betont, dass wir auch künftig konsequent Kurs halten und weltweit als neutraler Technologie­partner agieren, der seinen Kunden den höchsten Mehrwert im Markt bieten will. Unsere Marke wird in unserer Branche als sehr stark wahrgenommen und die Kunden sind von der Leis­tungs­stärke unseres Technologie­angebotes überzeugt. Es gibt aber auch noch Bereiche, in denen wir uns verbessern müssen. Im Jahr 2021 waren dies ganz klar die Lieferzeiten.

Unsere Marke wird in unserer Branche als sehr stark wahr­­genommen und die Kunden sind von der Leistungs­­stärke unseres Techno­logie­­angebotes über­zeugt.»

Ingo Steinkrüger

Das Jahr 2021 war nun bereits das zweite Pandemiejahr. Was bedeutet dies für die Marktentwicklung?

Trotz aller Turbulenzen, die die Pandemie verursacht hat: Wir sehen die klare Tendenz, dass das Wachstum in der Intralogistik weiter anhält. Im letzten Jahr habe ich mit zahlreichen Kunden, Partnern und Anwendern das Gespräch gesucht. Dabei wurde diese positive Einschätzung immer wieder bestätigt. Der Bedarf nach einer Automa­tisierung des Material­flusses steigt in allen Regionen der Welt. Nicht nur wegen des weiter boomenden Online-­Handels, sondern auch wegen der begrenzten Verfüg­barkeit von Mitarbei­tenden in gewissen Bereichen. In unseren Ziel­märkten sucht man nach zuverlässigen und die Produk­tivität steigernden Lösungen, die möglichst schnell, effizient und pragmatisch die aktuellen Heraus­forderungen beim Wachstum bewältigen können. Durch unsere bewährte, modulare und skalier­bare Technologie­plattform sind wir hier sehr gut positioniert.

Würden Sie Interroll also als einen Pandemiegewinner bezeichnen?

Nein, diese Beschreibung besitzt meiner Meinung nach einen falschen Zungen­schlag. Es geht vielmehr darum, ob wir unsere Verantwortung gegenüber unseren Mitarbei­tenden sowie gegenüber der Gesellschaft erfolgreich wahrnehmen – gerade in Zeiten, die durch besondere Heraus­forderungen gekenn­zeichnet sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir unseren Kunden die richtigen Produkte für deren Geschäft zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereit­stellen müssen. Darum tun wir unser Möglichstes, um unsere Liefer­fähigkeit auch vor dem Hintergrund sehr angespannter Liefer­ketten aufrecht­zuerhalten.

Was hat Interroll aus der Pandemie gelernt?

Die Pandemie hat vor allem gezeigt, dass es sehr wichtig ist, seine Hausaufgaben in guten Zeiten zu erledigen. Das macht stark. Dann kann man hart am Wind segeln, ohne Mast­bruch zu erleiden. Unser gutes Ergebnis im Jahre 2021 zeigt, dass wir uns mit unserer langfristigen Strategie auf dem richtigen Weg befinden und diese Aus­richtung uns Stabilität verleiht. Wir halten auch starken Stürmen stand. Gleich­zeitig erleben wir, dass Märkte sehr volatil sein können. Deshalb ist unsere Kultur wichtig, die auf starken, gemeinsamen Werten basiert, kurze Entscheidungs­wege und flexibles Handeln – etwa in unterschied­lichen Ländern – ermöglicht, um unvorhersehbare Situationen bewältigen zu können.

Stichwort Digitalisierung: Was können wir hier von Interroll erwarten?

Produktseitig haben wir uns mit unserem neuen Center of Excellence in Linz im Bereich Software und Elektronik weiter deutlich gestärkt. Der Fokus liegt dort klar auf dem immer wichtiger werdenden Zusammenspiel von Hardware und Software. So haben wir uns etwa im abgelaufenen Geschäftsjahr bei den Sorter­steuerungen deutlich besser aufgestellt. Dieses Digitalisierungs-Know-How werden wir gezielt ausbauen. Den Komfort für unsere Kunden verbessern wir zudem mit einem neuen Layouter-Software-Tool, das dessen Anwendern sehr viele Freiheiten bei der Gestaltung ihrer Material­flusslösung gibt und ihren Projekt­aufwand drastisch reduziert. Auch die vereinfachte, automatisierte Auftrags­abwicklung und den Webshop, mit dem wir unseren Kunden schnelle und bedienungs­freundliche Bestell­vorgänge ermöglichen, haben wir weiter ausgebaut. Bei unseren internen Prozessen starten wir die Trans­formation auf SAP S/4HANA. Dabei handelt es sich um ein neues, noch leistungs­fähigeres Enterprise Resource Planning System (ERP). In diesem Kontext stellen wir sämtliche Geschäfts­prozesse auf den Prüf­stand und werden deren Effek­tivität und Effi­zienz gezielt steigern.

Im vergangenen Jahr hat Interroll seinen ESG-Fahrplan vorgestellt. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?

Nachhaltigkeit ist für uns ein ganzheitliches Thema, das aus verschiedenen Pers­pek­tiven in Angriff genommen wird. Die ESG-Standards, also Environment, Social, Governance, sind wichtige Bausteine unserer langfristigen Unternehmens­entwicklung. Eine wichtige Voraussetzung, um als Unternehmen nachhaltiger zu arbeiten, ist auch die langfristige Bindung und Stärkung der Kompetenzen unserer Mitarbeitenden. Wir wollen mit dem besten Team in unserer Branche die bestmöglichen Lösungen für unsere Kunden und Partner anbieten. Verantwortungsvolle Unternehmens­führung bedeutet aber auch, dass wir unseren kontinuierlichen Fokus auf Wirtschaft­lichkeit noch weiter schärfen. Vor dem Hintergrund unserer hohen finanziellen Stabilität investieren wir einerseits planmässig in Kapazitäten und andererseits in die Weiter­ent­wicklung unserer Technologie­plattformen. In beiden Bereichen werden wir einen nachhaltigen Beitrag leisten und insbesondere das Thema Energie­ersparnis noch stärker ins Visier nehmen.

Ist angesichts der steigenden Rohstoffpreise mit dauerhaft höheren Produktionskosten zu rechnen?

Wirklich seriös lässt sich hier keine Prognose erstellen. Zunächst einmal ist es eine beeindruckende Leistung unserer Mannschaft, dass wir in einem heraus­fordernden Jahr unsere Produktivität erneut gesteigert haben. Wir wollen auch weiterhin sukzes­sive besser werden – darauf lege ich einen klaren Fokus. Bei den Material­preisen werden wir die Dinge beeinflussen, die wir tatsächlich auch beeinflussen können. Wir sehen uns als langfristigen Partner unserer Kunden und werden nicht bei jeder kleinen Veränderung sofort unseren Preis anpassen - ab einem bestimmten Punkt müssen wir strukturell gestiegene Kosten allerdings auch an den Markt weitergeben. Ent­spre­chen­des haben wir 2021 umgesetzt, als sich bei Speicherchips, Stahl und Polymeren deutliche Preis­steigerungen ergeben haben. Wir haben uns darüber und auch über Liefer­eng­pässe mit unseren Kunden proaktiv und trans­parent ausgetauscht. Dabei sind wir vielfach auf Ver­ständnis gestossen. Wir sehen, dass auch der Wett­bewerb im gleichen Mass von diesen Entwick­lungen betroffen ist und rechnen darum nicht mit einer Schwächung unserer Wachstums­aussichten.

Ein Blick auf die Geschäftszahlen: Wie erklärt sich der hohe Auftragsbestand?

Wir stehen beim Auftragseingang 2021 um 43.9% und beim Umsatz um 20.6% über den Vorjahreswerten. Wir haben also auch in einer schwierigen Zeit unsere Leistungs­fähig­keit ausgebaut. Ein Grund für den hohen Auftragsbestand ist einerseits die hohe Nach­frage, aber auch die immer wieder auftretende Material­knappheit und die damit ver­bundenen Liefer­zeiten, mit denen wir konfrontiert sind. Dieses Thema sind wir früh­zeitig und engagiert angegangen. In fast allen Fällen ist es uns bei Liefer­ver­zögerungen unserer Lieferanten gelungen, mit unseren Kunden sinnvolle und prag­matische Lösungen zu erreichen. Wir tun weiterhin alles, um die Liefer­zeiten entgegen aller Widrig­keiten wieder auf ein exzellentes Niveau zu bringen.

2021 haben Sie Ihr neues Werk in Mosbach in Betrieb genommen. Ein Meilenstein für Ihre Wachstumsstrategie?

Ja, zusammen mit der Produktions­erweiterung in den USA und der bevorstehenden Eröffnung unseres neuen Werkes in China spielt Mosbach eine zentrale Rolle für unsere Wachstums­strategie. Die Kapazitäts­erweiterung bei unseren Förderern im Rahmen unserer sogenannten Zellteilung, bei der wir unsere Modular Conveyor Platform und die Modular Pallet Conveyor Plat­form aus dem Werk Sins­heim und dem nun­mehr geschlos­senen Kronau trans­feriert haben, ist sehr wichtig für die Nach­frage im euro­päischen Markt, zumal der neue Standort gleich­zeitig unsere Kapazität und Schlagkraft bei Sortern in Sinsheim erhöht. Beim Betriebsstart in Mosbach haben wir den Einfluss von Material­knappheiten besonders gespürt, auch weil uns diese Situation zeit­gleich mit dem Hochlauf des Werkes getroffen hat. Mit einem engagierten Einsatz unserer Mann­schaft haben wir dieser Ent­wick­lung entgegen­gesteuert.

Die neue Service-Organisation ist nun gestartet. Planen Sie diesbezüglich eine separate Produktgruppe im Geschäftsbericht? Mit welchen Angeboten dürfen Kunden 2022 rechnen?

Zunächst einmal: Wir planen zum jetzigen Zeitpunkt nicht, Service als eigene Produktgruppe zu etablieren. Kunden und Anwender unterstützen wir mit unserem Service ganzheitlich und entlang des kompletten Produktlebenszyklus. Hierbei agieren wir nicht nur schnell, sondern auch proaktiv und transparent im Sinne höchsten Kundenkomforts. Unser Ziel ist es nicht, mit unseren Kunden, also den Systemintegratoren, in Konkurrenz zu treten, sondern deren Leistungsspektrum gegenüber dem Anwender zu steigern. Bereits in der Projektplanungsphase stellt Interroll den Systemintegratoren auf Wunsch Expertise, wie beispielsweise Analyse und Beratung, sowie zeitsparende Software-Tools (Interroll Layouter) bereit, und kann sie bei der Programmierung und Parametrierung der Lösungen unterstützen. Die Qualifizierung von Kunden und Anwendern hinsichtlich unserer Lösungen erfolgt in Kundentrainings durch unsere Academy. Bei Bedarf unterstützt Interroll seine Kunden auch in der Installationsphase. Für Anlagen, die bereits in Betrieb sind, bietet Interroll Wartungsdienstleistungen und Monitoring-Tools zur Optimierung der Wartungszyklen an. Sollten Reparaturen notwendig sein, sorgt Interroll schnellstmöglich für die Verfügbarkeit von entsprechenden Verschleiss- beziehungsweise Ersatzteilen. Auf Wunsch unterstützen wir Systemintegratoren, die Eigenfertigung betreiben, dabei, ihr Angebot auf die Nutzung der Interroll Technologieplattform umzustellen. Dadurch können sie ihren Endkunden die kompletten Vorteile einer Materialfluss-Technologieplattform bieten, ohne in zeit- und kapitalintensive Entwicklungs- und Produktionsprozesse investieren zu müssen. Auf diese Weise helfen wir ihnen dabei, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren.

Stichwort: Technologieplattform. Im Jahr 2021 gab es zwei wesentliche Innovationen, eine Erweiterung der Sorterplattform und den komplett neuen Smart Pallet Mover (SPM). Wie haben sich diese Neuheiten im Markt bisher geschlagen?

Unsere Sorterplattform haben wir konsequent auf der technologischen Basis weiterentwickelt, die unseren Kunden und Anwendern seit vielen Jahren einzigartige Vorteile bietet. Diese Vorteile haben wir dem Markt auch im Hochleistungs- und im Basissegment zugänglich gemacht. Zudem haben wir auch im mittleren Segment unsere bewährten Quergurtsorter nochmals auf den allerneuesten technischen Stand gebracht. Diese Arbeit hat sich ausgezahlt: Beim Umsatz mit einem Plus von 20.6% und beim Auftragseingang mit einem Plus von 44.2% konnten wir uns nochmals deutlich steigern. Was den Smart Pallet Mover angeht, so eröffnet uns diese Lösung in einem neuen Marktumfeld, nämlich der Produktionslogistik, zusätzliche Geschäftspotenziale. Einen grossen Anlagenhersteller haben wir bereits als Kunden gewonnen und ein sehr positives Feedback aus der Fachwelt für unsere Lösung bekommen. Ein Beispiel ist der IFOY Award, den wir mit dieser Lösung gewinnen konnten.

Wie ist der Ausblick, wenn es um weitere Innovationen geht?

Wir drücken hier weiter aufs Gaspedal, indem wir unsere Plattformtechnologie konsequent erweitern. Im Frühjahr 2022 stehen mit der Einführung neuer Förderlösungen für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie weitere Produktneuheiten auf dem Programm. Unseren Standort in Baal bauen wir dafür derzeit aus. Wir nutzen dabei unsere langjährigen Erfahrungen mit hygienisch sensiblen Anwendungen in diesen Branchen. Doch das ist nicht alles: Auch beim schnellen Sortieren von Gütern wird es einige interessante Neuerungen für unsere Kunden geben.

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