Den gesamten Lebenszyklus im Blick
17.03.2023
Interview als PDF
Die Entwicklung, Fertigung und Bereitstellung von Produkten und Technologien für Materialflusslösungen spielen die zentrale Rolle für das Geschäftsmodell von Interroll. Ein Gespräch mit Jens Strüwing, Executive Vice President Products & Technology der Interroll-Gruppe, über die Frage, wie das Unternehmen in diesem Bereich seine Nachhaltigkeitsziele verfolgt – zum Vorteil der Kunden und Anwender, aber auch des eigenen Unternehmens.
Welche Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen Sie bei der Produktentwicklung?
Jens Strüwing: Bereits seit Jahren gehen wir das Thema Nachhaltigkeit im Bereich der Produkt- und Technologieentwicklung unter einer ganzheitlichen Perspektive an. So betrachten wir unsere Produkte grundsätzlich über ihren gesamten Lebenszyklus, also gleichsam von «ihrer Wiege bis zu ihrer Bahre». Dies gilt sowohl für die Weiterentwicklung bestehender Lösungen wie auch für disruptive Innovationen. Bereits in der ersten Phase der Entwicklungsarbeit stellen wir uns zum Beispiel die Frage, welche einzusetzenden Materialien sich im Sinne einer Kreislaufwirtschaft für ein späteres Recycling eignen. Daneben arbeiten wir im Entwicklungsbereich immer mit der konsequenten Massgabe, Automatisierungslösungen bereitzustellen, die den Energieverbrauch beim Betrieb unserer Anlagen signifikant senken und die für eine ergonomische, sichere sowie geräuscharme Arbeitsumgebung sorgen. Weitere Zielvorgaben betreffen etwa nachhaltige Verpackungsmaterialien mit hoher Packungsdichte und die Auswahl von Lieferanten, die unsere konzernweiten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen sowie kurze Transportwege für einen geringen CO2-Fussabdruck bieten.
So betrachten wir unsere Produkte grundsätzlich über ihren gesamten Lebenszyklus, also gleichsam von ‹ihrer Wiege bis zu ihrer Bahre.›»
Höchste Qualität, Einfachheit und Geschwindigkeit sind die zentralen Kundenversprechen von Interroll. Zahlen diese Werte auch auf die Nachhaltigkeitsstrategie ein?
Absolut. Im Rahmen unserer Qualitätsstrategie setzen wir etwa auf Robustheit und Langlebigkeit statt auf den Einsatz von Wegwerflösungen. Unsere Produkte basieren grundsätzlich auf Technologien, die sich nachweislich im Dauereinsatz bewährt haben und sich in vielen Fällen – nach einer Generalüberholung – für einen erneuten Einsatz eignen. Ein Beispiel sind nicht nur unsere Trommelmotoren, für die wir einen Reparaturservice für unsere Kunden bieten, sondern auch unsere weltweit erfolgreiche Sorterplattform, die im Gegensatz zu anderen Lösungen auf einem robusten und energieeffizienten mechanischen Grundprinzip basiert. Nicht selten sind Interroll-Sorter deshalb bei vielen Anwendern weit über zehn Jahre im Betrieb — bei geringsten Wartungskosten. Deshalb konnten wir etwa einen Quergurt-Sorter, der bereits sechs Jahre im Dauerbetrieb bei einem grossen Auftragslogistiker gelaufen ist, ohne grösseren Aufwand wieder für den Einsatz bei einem Modehersteller fit machen.
Und mit welchem Ansatz reduzieren Sie den CO2-Fussabdruck beim Betrieb Ihrer Lager- und Materialflusslösungen?
Wir verwenden für unsere Lösungen kompakte, energieeffiziente Antriebe, die branchenweit Massstäbe setzen und Wirkungsgrade von über 90 Prozent erreichen. Mindestens ebenso wichtig ist unser dezentrales Antriebskonzept im Niederspannungsbereich, das eine Energieeinsparung von bis zu 50 Prozent gegenüber zentralen Konzepten bietet. Dies gelingt durch Lösungen, die Hardware, Software und Elektronik nahtlos integrieren. Zugleich sorgt die Modularität unserer Plattform dafür, dass der Kunde immer genau den Antrieb einsetzen kann, dessen Leistungsaufnahme optimal auf die jeweilige Förderanwendung zugeschnitten ist. Weiterhin helfen wir den Kunden durch unser Know-how dabei, auch Bestandsanlagen ohne grossen Aufwand energetisch zu modernisieren. Unabhängige Gutachter haben bestätigt, dass in Kundenprojekten hierdurch Energiesparpotenziale von rund 50 Prozent zu heben sind.
Gilt diese Herangehensweise auch für neue Produktbereiche?
Selbstverständlich. Ein Beispiel ist der neue Special Hygienic Conveyor (SHC). Mit diesem Förderer werden nun erstmals auch die Vorteile bei der Energieeffizienz, die die weltweit beliebte Modular Conveyor Platform (MCP) bietet, für Systemintegratoren und Anwender verfügbar, die besondere Hygiene-Anforderungen, etwa in der Lebensmittelbranche, erfüllen müssen. Ausserdem haben wir im Bereich der Fleischverarbeitung eine disruptive Innovationslösung auf den Markt gebracht, die einen zentralen Prozessschritt bei der Zerlegung von Fleisch deutlich hygienischer gestaltet. Messungen haben gezeigt, dass die Keimbelastung der verarbeiteten Fleischprodukte deutlich gegenüber dem bisher gängigen Verfahren sinkt. So tragen wir dazu bei, eine längere Haltbarkeit der Hühnerfleischprodukte zu ermöglichen und die Verschwendung von wertvollen Lebensmitteln zu verhindern.
Welche Nachhaltigkeitsmassnahmen ergreifen Sie an Ihren Produktionsstandorten?
Mit dem Kaizen-basierten Interroll-Produktionssystem (IPS) besitzen wir seit vielen Jahren eine sehr effektive Möglichkeit, Verschwendung konzernweit zu reduzieren. Durch dieses Instrument lassen sich auch Nachhaltigkeitsstandards schnell und einheitlich an den Standorten umsetzen – etwa bei der Beleuchtung, die überall auf LED-Technologie umgestellt wurde. Ausserdem können wir so verbindliche Energieeinsparziele weltweit gezielt und mit dem effektivsten Hebeln umsetzen. Je nach Standortbedingungen gelingt dies etwa durch Niedrig-Energie-Baumassnahmen, den Einsatz von Blockheizkraftwerken mit sehr hohen Wirkungsgraden, die Errichtung von Ladesäulen für E-Autos von Mitarbeitenden und dem Einsatz von Photovoltaik. Wie für andere Aufgabenstellungen nutzen wir hierfür konzerneigene Wissensplattformen, die es uns erlauben, einmal erarbeitetes Know-how rasch und wirkungsvoll an allen unseren Standorten auf der Welt zu nutzen.