Für Professor Nader Tavassoli, Marketingexperte an der London Business School, dreht sich die Markenbildung in erster Linie um die Menschen hinter dem Produkt.
Schon vielen Unternehmen ist es leichter gefallen, ein großartiges Produkt herzustellen, als eine überzeugende Marke rund um dieses Produkt zu schaffen. Es gibt zahlreiche Beispiele, bei denen Unternehmen große Schwierigkeiten hatten, in dieser schnelllebigen Welt voll unzähliger Wahlmöglichkeiten aus der Masse hervorzustechen. Oft ist das Problem eine übertriebene Fokussierung auf Design, Preisgestaltung und Werbung, die auf Kosten der Menschen geht, die die Waren tatsächlich liefern – findet der weltweit tätige Markenexperte Nader Tavassoli. Seiner Ansicht nach können die Haltung, die Fähigkeiten und die Loyalität der Mitarbeiter maßgeblich dazu beitragen, die Marken ihres Arbeitgebers in den verschiedenen Märkten, die heutzutage mit Produkten und Dienstleistungen überflutet werden, zu stärken oder auch zu schwächen.
Hinzu kommt eine Tendenz vieler Unternehmensleitungen, sich vornehmlich auf das strategische Design zu konzentrieren und die anschließende Ausführung dem Rest des Unternehmens zu überlassen. Marketingprofis, so Tavassoli, agierten ganz ähnlich: Sie entwerfen und vermitteln Markenversprechen, ohne entscheidend beeinflussen zu können, wie diese später verwirklicht werden. Diese Vorgehensweise führt zu einer Abweichung zwischen dem Markenversprechen und dem tatsächlichen Produkt.
Tavassoli zufolge gibt es Möglichkeiten, diese Lücke zu schließen. Das Schlagwort lautet „Traction“. Dabei müssen die Mitarbeiter im gesamten Unternehmen die Markenphilosophie vollständig verinnerlichen und ihre täglichen Arbeitsabläufe darauf abstimmen. Außerdem sind die Geschäftsabläufe auf diesen Prozess auszurichten. Ziel ist es, dass sich die Beschäftigten voll und ganz für die Einhaltung der Markenversprechen einsetzen. Nach Auffassung von Tavassoli steht und fällt eine Marke mit dem Verhalten der Mitarbeiter, das wiederum von der jeweiligen Unternehmenskultur geprägt ist und diese widerspiegelt. Es sind die vielen kleinen Dinge, die zu einer unverwechselbaren Kultur beitragen, und es ist diese unverwechselbare Kultur, die Unternehmen voneinander abhebt.
Die Marke ist im Wesentlichen die Persönlichkeit des Unternehmens. Sie verkörpert seine Beschäftigten, seine Werte und sein Versprechen an die Kunden. Sie hinterlässt einen bleibenden Eindruck – auch noch lange nach dem Kauf. Oder wie Jeff Bezos, Milliardär und Gründer von Amazon, es einmal ausdrückte: „Branding ist das, was die Leute über dich sagen, wenn du nicht im Raum bist.“
Die Differenzierung in einer globalen Wirtschaft ist, gelinde gesagt, eine Herausforderung. Alleinstellungsmerkmale, so Tavassoli, seien äußerst selten und kurzlebig, vor allem weil die meisten Wettbewerber mit ähnlichen Produkten dieselben Kunden ansprechen.„Es ist heutzutage sehr schwer, sich von der Masse abzuheben und ein unverwechselbares Unterscheidungsmerkmal im Markt zu behaupten, selbst wenn man über ein entsprechendes Patent verfügt“, sagt er und fügt hinzu, dass es mit den Kosten nicht viel anders sei. „Da die Preisgestaltung sehr stark vom Wettbewerb geprägt ist, werden sich Ihre Preise letztlich nur wenig von denen Ihrer Konkurrenten unterscheiden.“ Das beste und preiswerteste Produkt auf dem Markt gewinnt nicht immer.
Nader Tavassoli ist Professor für Marketing an der London Business School und nicht-geschäftsführender Vorsitzender der Beratergruppe The Brand Inside. In seiner Funktion als Berater war Tavassoli als Sachverständiger bei internationalen Markenstreitigkeiten tätig, führte bei mehreren Fusionen und Übernahmen markenbezogene Due-Diligence-Prüfungen durch und konzipierte und leitete für mehrere globale UnternehmenSchulungseinrichtungen zur Markenbildung und zum digitalen Wandel. Er ist Träger des renommierten Excellence in Teaching Award der London Business School, an der er als Gründungsdirektor die Programme „Customer Focused Marketing“ und „Walpole Luxury Management“ eingerichtet hat.