Frachtdrohnen können wegen geringerer Sicherheitsrisiken den Weg für fliegende Autos ebnen
Urbane Mobilität beschwört meist Bilder von autonomen „Flugtaxis“, die Passagiere durch verstaute Städte transportieren. Doch stattdessen könnten es Frachtdrohnen sein, die wegen geringerer Sicherheitsrisiken den Weg für die fliegenden Autos ebnen.
Leonardo da Vinci entwarf 1490 ein Flugzeug mit einer Luftschraube, aber erst 1901 baute der deutsche Erfinder Hermann Ganswindt ein Flugzeug mit mehreren Rotorblättern, das sogar einige Sekunden lang flog. Igor Sikorsky entwarf schliesslich den ersten Hubschrauber der Welt, der 1939 in den USA abhob. Ein Jahrhundert später könnten die Drehflügler eine völlig neue Bedeutung für den Luftverkehr gewinnen.
Dies sind nicht die schlagzeilenträchtigen Drohnen der „letzten Meile“, die eines Tages Päckchen oder Briefe ausliefern sollen. Es sind eher Schwerlaster, die dafür ausgelegt sind, ein paar Tonnen Fracht bei Regen, Nebel oder Schnee über weite Strecken zu transportieren. Das US-Militär nutzt sie bereits, wenn auch für leichtere Lasten.
Einige der Experten, die bei der Entwicklung dieser Militär-Drohnen involviert waren, haben nun damit begonnen, die nach eigener Aussage weltweit erste kommerzielle autonome Schwerlastdrohne mit grosser Reichweite zu entwickeln. Rhaegal ist ein senkrecht startendes und landendes Flugzeug, das wie ein Hubschrauber fast 2,5 Tonnen Fracht direkt vom Boden heben und, wenn eine kurze Landebahn verfügbar ist, sogar wie ein Flugzeug starten und dann maximal 4,5 Tonnen bis zu 1.850 Kilometer weit tragen kann. Sein Rumpf neigt sich tief Richtung Boden und besitzt eine Nase, die nach oben kippt, damit Container oder Schüttgut schnell geladen werden kann.
De Reyes, Chef von Sabrewing Aircraft, das die Rhaegal baut, sieht einen Markt für autonome Flugzeuge, die schnell landen, beladen werden und wieder starten können – und Waren aus grossen Frachtflugzeugen zu meilenweit entfernt wartenden Lastwagen oder Distributionszentren transportieren können. Die Rhaegal startete bereits Anfang dieses Jahres zu Testflügen und soll 2022 in Dienst gestellt werden. Das Projekt wird von Drone Fund, Idaten Ventures und weiteren Investoren finanziert.
Im Gegensatz zur Idee einer schweren Frachtdrohne besteht das Interesse an Passagierdrohnen schon sehr viel länger. Jeder, der stundenlang im Stau steht, weiss, warum das so ist. Über 200 elektrische Lufttaxi-Projekte befinden sich heute bereits in verschiedenen Entwicklungsstadien, darunter sind Start-ups wie Aurora und Zee.Aero aus den USA, Lilium und Volocopter aus Deutschland, das niederländische Pal-V, das slowakische Aeromobil und Chinas Ehang. An der Entwicklung und Finanzierung sind mehr als 70 Unternehmen beteiligt, von den Flugzeugherstellern Airbus und Boeing bis hin zu den Autoherstellern Ford, Geely, Hyundai, Porsche und Toyota. Sogar das Mitfahrunternehmen Uber ist bei diesem Wettlauf am Start und arbeitet mit mehreren dieser und anderen Unternehmen zusammen, um ein eigenes Uber Air-Flugtaxi zu entwickeln.
Multirotor-Konzepte besitzen mehrere Motoren und Propeller an oder auf der Kabine, die sowohl für die vertikale als auch für die horizontale Bewegung verwendet werden. Kombinationsmodelle verwenden Rotoren zum Schweben und Flügel zum Horizontalflug. Und die Kipprotor-Lösung, die als die bisher vielversprechendste Konstruktion gilt, nutzt Rotoren für Senkrechtstart und -landung. Sie können an den Flügeln gekippt werden, so dass das Fluggerät auch wie ein herkömmliches Flugzeug fliegen kann. Aber sind Flugtaxis wirklich eine Lösung für Staus, wie ihre Anhänger argumentieren? Oder sind sie nur das Spielzeug von einigen Milliardären, wie manche Kritiker behaupten? Die meisten Unternehmen planen jedenfalls Taximodelle, bei denen sich Pendler – wie in Kleinbussen – die Fahrtkosten teilen könnten. Das deutsche Beratungsunternehmen Roland Berger erwartet, dass bis 2025 mehr als 3.000 dieser Flugtaxis zunächst mit Pilot abheben werden und bis 2050 sogar 98.000 Exemplare autonom. Analysten schätzen, dass der Wert des Lufttaxi-Marktes bis 2040 zwischen 615 Milliarden und fast 3 Billionen US-Dollar liegen dürfte.